Die Geschichte des Dampfers Albatros

Kaum ein Schiff dieser vergangenen Epoche ist für den Modellbau so geeignet wie der Dampfer Albatros. Hierzu gibt es einen Bauplan mit Linienriss, sogar das Original kann noch besichtigt werden. Seit 1971 liegt der kleine Dampfveteran an Land am Hafeneingang des Ferienzentrums Damp 2000 auf der Halbinsel Schwansen an Schleswig-Holsteins Ostseeküste.

Der 214 BRT große Fracht- und Passagierdampfer Albatros wurde 1912 von der Papenburger Schiffswerft und Maschinenfabrik Jos. L. Meyer als Bau-Nr. 280 an die Vereinigte Flensburger – Ekensunder und Sonderburger Dampfschifffahrts – Aktiengesellschaft in Flensburg abgeliefert.

Es war der letzte Neubau dieser Reederei, die am 25. November 1897 durch die Fusion der ursprünglich erbittert konkurrierenden und seit 1875 freundschaftlich zusammenarbeitenden Flensburg – Ekensunder – Dampfschifffahrt – Gesellschaft entstand. (Damals schrieb man Dampfschifffahrts – Gesellschaft noch mit fünf „f“, einem vorn, drei in der Mitte und eins hinten.)

Die Flensburger Fördeschifffahrt war 1866 von dem Flensburger Kaufmann Friedrich Mommse Bruhn etabliert worden, der ein Jahr zuvor die Hamburger Alsterdampfer gesehen hatte und diese Idee erfolgreich nach Flensburg transferiert hatte.

Es war schwieriger, als Bruhn dachte, entlang der Flensburger Förde geeignete Stationen und Wirte zu finden, die Anlegebrücken bauten. Besonders die Ekensunder an der Nordküste waren eifrig und dafür wurden sie auch in den Reedereinamen integriert.

Es ging schließlich doch vorwärts und dem Dampfer Seemöwe folgten dann weitere. 1873 machten die Sonderburger ihre eigene Dampferlinie auf, aber der Konkurrenzkampf dauerte nur 2 Jahre. Um die Jahrhundertwende, bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges, währte der Zenit der „Vereinigten“, wie die Flensburger ihre Reederei nannten.

1910 wurden fast 1,1 Millionen Fahrgäste und 1,2 Millionen Zentner Stückgut mit 20 Dampfern befördert. Die Flensburger Förde, der Alsensund, Nordschleswig bis nach Hadersleben, Kiel und Hamburg wurden im Fahrplan bedient.

Nach Hamburg fuhren allerdings nur die Frachtdampfer „Kanal I – IV“.

Die größeren Passagierdampfer für die längeren Linien, z.B. von Flensburg nach Kiel oder Sonderburg – Apenrade – Hadersleben verfügten im Vorderschiff über kleine Luken, in denen einige Tonnen Expressgut befördert werden konnten. Erfolgreich war die Reederei seit der Jahrhundertwende in der Viehfahrt von Nordschleswigschen Häfen zu den Schlachthöfen und Viehmärkten in Flensburg, Kiel, Lübeck und Hamburg. Der Dampfer Albatros konnte wie die Habicht nach Ende der Sommersaison in Eigenregie der Besatzung zum Viehdampfer umgebaut werden. Die Sitzbänke für die Passagiere wurden einfach an Land gegeben, die Verschanzung mit Brettern weiter verkleidet. Die 36,6 m zwischen den Loten lange Albatros konnte maximal 406 Passagiere oder rund 100 Rinder befördern.

Die Albatros mit ihren schnittigen Linien entsprach in wesentlichen Konstruktionsmerkmalen dem 1897 von der Schiffswerft & Maschinenfabrik (vorm. Janssen & Schmilinsky) gebauten Habicht, war aber etwas fülliger. Dadurch wurde mehr Raum gewonnen. Allerdings wirkte sich die kompaktere Rumpfform mit einem halben Knoten negativ auf die Geschwindigkeit aus, verbesserte anderseits aber das Seeverhalten. Das stark ausfallende Heck, die schräg stehenden Masten und der hohe Schornstein gaben der Albatros ein gefälliges Aussehen.

Die ursprünglich neben dem Schornstein stehenden Rettungsboote wurden in den zwanziger Jahren weiter nach hinten versetzt, um zusätzlichen Platz für Passagiere auf dem Brückendeck zu schaffen. Nach dem Vorbild des legendären Salondampfers Alexandra wurden im Mittschiffsaufbau große Fenster eingesetzt. Der Großmast wurde nach dem 2. Weltkrieg ausgebaut.

Im ersten Weltkrieg kam die Albatros für die Kaiserliche Marine in der Danziger Bucht als Tender unter der Bezeichnung HS76, HS69, HS78, HS82 und HS60 zum Einsatz.

In der Volksabstimmung vom 10.02. und 14.03.1920 entschied sich Flensburg mit großer Mehrheit für den Verbleib im Deutschen Reich. Nordschleswig stimmte jedoch für die Eingliederung in den Dänischen Staatenverband. Die deutsch-dänische Grenze verläuft seither wenige Kilometer nördlich von Flensburg.

Die Flensburger Förde hatte nun plötzlich ein dänisches Südufer, die populären Anlegestellen Süderhaff, Ekensund und Gravenstein konnten jahrelang nicht angelaufen werden. Der tiefe Riss zwischen deutschen und dänischen Gemeinden schloss sich erst ganz allmählich. Aus der „Vereinigten“ wurde 1920 wieder eine Flensburg – Ekensunder Dampfschifffahrts – Gesellschaft, auch wenn Ekensund fast unerreichbar war. Habicht blieb ein Flensburger Schiff und musste 1923/24 mangels Beschäftigung aufgelegt werden.

Als sich die Reederei 1932 gesundschrumpfen wollte, sollte der Dampfer für 20.000,00 RM an die Schleswiger Kreisschifffahrt verkauft werden, aber die Schleswiger boten maximal 18.000,00 RM, die Transaktion man nicht zustande.

1934 musste Hermann Bruhn, Sohn des Firmengründers, die Reederei liquidieren. Kleinbahn, elektrische Straßenbahn nach Glückstadt und Autobusse hatten ihr viele Liniengäste abspenstig gemacht und Ausflugsgäste gab es auch nicht mehr in dem Umfang wie vor dem Krieg, als die ganze Förde befahren wurde. Die Viehfahrt war starken Schwankungen unterworfen, einzig die Frachtlinie nach Hamburg florierte. 1934 hatte sich eine neue Reederei auf der Förde etabliert. Die Initiatoren der Förde – Motorschifffahrts – Gesellschaft wussten sehr wohl, das Hermann Bruhn, dessen nichtarische Familie den braunen Machthabern ein Dorn im Auge war, keine Kredite von der Bank erhalten würde.

Dem Flensburger Bankdirektor Molzen gelang es schließlich, die Förde-Reederei GmbH zu gründen, die 1935 die Fahrgastaktivitäten der Flensburg – Ekensunder und deren Dampfer Alexandra, Habicht und Albatros übernahm. Die Förde – Motor – Gesellschaft mit den Schiffen Forelle und Libelle wurde samt zwei Motorbooten ebenfalls eingegliedert, die Gesundung der Fördeschifffahrt gelang. 1934/35 zeigte die Albatros eine leicht geänderte Schornsteinmarke, statt der gelb-blau-gelben Ringe zeigte sie einen breiten blauen Ring mit gelben Rändern. Ab 1935 fuhr der Dampfer dann mit dem gelben Schornstein, schwarzen Top und dem gelben Anker auf blauen Wappenschild.

1938 verkehrte die Albatros ausschließlich auf der Kieler Route und im 2. Weltkrieg tat der Dampfer wiederum als Tender in der Danziger Bucht Dienst, diesmal für die Kriegsmarine. Unter dem Kommando von Thorsten Rautell gelang dem Dampfer Albatros mit 200 Flüchtlingen an Bord das Auslaufen aus Stralsund. Das war am 30.April 1945.

Seit Januar war der kleine Dampfer etappenweise von Pillau hierher gelangt.

Das kleine, unscheinbare Schiff musste nicht an die Alliierten ausgeliefert werden. 1946 kam es, behelfsmäßig hergerichtet, wieder in Fahrt und im Fahrgastverkehr auf der Förde zum Einsatz. In den Jahren 1951/53 fuhr die Albatros schließlich nur als Viehdampfer, in den folgenden Jahren beförderte sie Sommertags meist fröhliche Gäste auf der Route Flensburg – Solitüde – Glücksburg und gelegentlich Sonderfahrten zum in der Geltinger Bucht liegenden Feuerschiff Flensburg.

1969 machte die Albatros ihre letzte Fahrt nach Glücksburg und zurück. Die Sommersaison ist zu Ende, das Schiff wird – wie schon seit einigen Jahren nach Ende der Viehfahrt aufgelegt. Damals ahnte noch keiner, dass sich Kolben, Pleuel, Schieber und Kurbelwelle nie wieder drehen werden.

Das neue, fast futuristisch anmutende Ostseebad Damp wurde buchstäblich auf der grünen Wiese aus dem Boden gestampft. Zur Betonbettenburg gehört auch ein Yachthafen mit Anlegestelle für Dänemark – Schiffe. Es fehlte dem Hafen noch ein zünftiges, maritimes Attribut. Das wurde bald in der Albatros gefunden. Am 14. September 1971 nahm der Salondampfer Alexandra ihren alten Reedereikameraden auf den Haken und schleppte ihn nach Damp. Im Winter wurde eine Rinne in den Strand gebaggert, das Schiff hineingezogen, trockengesetzt und die Rinne wieder zugebaggert.

Nun saß die Albatros auf Land und sollte eine maritime Diskothek werden. Allerdings hatte man – wie manch anderer vorher und nachher – auch übersehen, dass ein gewissermaßen landfestes Schiff auch den an Land gültigen Vorschriften für Gastwirtschaften und sonstigen Restaurationsbetrieben unterliegt. Meist haben ehemals schwimmende Kneipen nämlich nicht die erforderliche Raumhöhe.

Die Albatros hatte sie auch nicht, es wurde nichts mit den heißen Rhythmen aus dem Schiffsbauch. Das Schiff gammelte vor sich her, die Farben, die die Kurverwaltung dem Dampfer alle paar Jahre spendierten, wurden immer greller und auch nicht maritim Begeisterten fiel der wracke Zustand des Dampfers auf.

1980 wurde der Deutsche Marinebund auf das Schiff aufmerksam, der sich für eine Stätte interessierte, die den Flüchtlingen des Krieges und der Nachwelt als Mahnmal, Museum oder am besten beides dienen konnte. Die Albatros war einer der letzten Dampfer, die die große Flucht über See mitgemacht hatten. Stettin und Alexandra, die beiden anderen, waren bereits schon in festem Vereinsbesitz.

Am 19. März 1981 wurde das „Kuratorium Erinnerungsstätte Albatros“ in das Vereinsregister eingetragen und am 28. Mai 1983 fand die Einweihung des Mahnmals, das nun eine Erinnerungsstätte mit kleiner Sammlung ist, statt. Dazu musste jedoch der ganze Rumpf ausgeräumt werden, der Eingang erfolgt durch eine in den Rumpf geschnittene Tür.

Das Kuratorium konnte sich nicht für eine komplette Erhaltung des Schiffes erwärmen und die äußere Hülle entspricht der Farbgebung keinem früheren Zustand. Solche Farben hatte die Förde – Reederei ihrem Veteran nie zugemutet.

Immerhin, Modellbauer sind findige Menschen, baulich wurde kaum etwas verändert. Die Compound – Dampfmaschine, gebaut von Jos. L. Meyer, mit 260 PS, die dem Dampfer eine Dienstgeschwindigkeit von 10 Knoten verlieh, wurde leider ausgebaut und verschrottet.